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TV-Kritik/Review: Quarry
(26.09.2016)
Der Anfang ist nachtblau, die Konturen sind unklar. Mac liegt im Uferwasser irgendeines Sees, erhebt sich mühsam, schleppt sich durchs Zwielicht, schießt schließlich einen anderen Mann über den Haufen und lässt ihn im Gewässer davontreiben. Eine Schildkröte schaut müde dabei zu. Dann schaltet sich die Titelkarte dazwischen, angemessen flirrend und gebrochen, wie das moderne Crime-Drama-Serien heute eben so machen:
Als es nach dieser Vorausblende weitergeht, kneift man die Augen zu, so gleißend ist plötzlich das Licht. Die Marines Mac (Logan Marshall-Green aus "Prometheus") und sein Kriegsgenosse Arthur (
Doch die seit 1976 erscheinenden "Quarry"-Krimis des "Road to Perdition"-Autors Max Allan Collins, auf denen diese Cinemax-Serie (recht locker) beruht, halten sich an die unverrückbar katastrophale Timeline der uns bekannten Weltgeschichte, und Rückkehrer aus 'Nam waren im Post-Hippie-Amerika nicht immer wohlgelitten. Vor dem Flughafen wird protestiert, Mac und Arthur sollen am "Massaker von Quan Thang" beteiligt gewesen sein - das ist fiktiv, erinnert aber natürlich an das Gemetzel von My Lai (1968). Mac und Arthur werden Mühe haben, Jobs zu finden; alte Bekannte werden sich abwenden; selbst Macs Vater (trocken gespielt von Skipp Sudduth aus
Diese Atmosphäre der allumfassenden Ernüchterung, eine Stimmung aus freundlicher Zurückweisung und klaustrophobischer Ausgrenzung: Das ist etwas, das "Quarry" in der überlangen Pilotfolge und auch später sehr gut hinbekommt. Regisseur Greg Yaitanes (bekannt für unzählige
Der Plot kommt in Gang, als Mac eines Nachts von einem ebenso jovialen wie gravitätischen alten Schotten besucht wird, der sich als der "Broker" vorstellt - ein Gangster, der über ein weitgespanntes Netzwerk von Killern gebietet und den desillusionierten, jähzornigen und deshalb joblosen Mac als Neuzugang gewinnen möchte. Der immer sehenswerte Peter Mullan (bekannt etwa als fieser Patriarch vom
Im weiteren Verlauf der Staffel dürfte es sowohl um die innere Befindlichkeit des gehörnten Kriegsheimkehrers gehen dürfte (eine Variation von Themen also, die aus US-Kinofilmen wie "Die durch die Hölle gehen", "Coming Home" oder "Geboren am 4. Juli" vertraut sind) als auch um dessen zunehmende Verstrickung in den Killerzirkel des Brokers, dem alsbald zwei Cops hinterherermitteln. Die von Collins-Fans erwarteten Actionszenen sind bislang rar gesät, in ihrer Herausgehobenheit dann aber sehr effektiv - besonders die nüchtern choreografierte und ohne unterstützenden Score inszenierte Schießerei in einer Fabrikruine sticht heraus. Zum weiteren Kreis des Brokers gehören noch dessen Bodyguard Karl (Edoardo Ballerini) sowie die Killerkollegen Moses (Mustafa Shakir) und Buddy (hervorragend: Damon Herriman, "Der kleine Tod"). Letzterer ist bislang die interessanteste Figur: ein queerer Psychopath, der vor dem Spiegel (und im Unterhöschen) alte Harry-Nilsson-Schnulzen nachsingt, aber zu tödlichen Moves fähig ist.
So punktet "Quarry" mit einer gekonnt austarierten Mischung aus Drama- und Crime-Anteilen, serviert von einer interessanten Darstellerriege, angesiedelt in spannendem Setting. Marshall-Green lässt als Mac vielleicht ein wenig zu sehr den rasend gekränkten Drop-Out mit Jetzt-ist-mir-alles-egal-Haltung raushängen; wie aus dem Ex-Marine ein von Wahrnehmungsstörungen gepeinigtes Psycho-Wrack werden konnte, will man trotzdem wissen. Störend sind eher einige Plot-Unwahrscheinlichkeiten: Würden sich Mac und der Broker wirklich im Publikum einer Wrestling-Show mit Nennung von Klarnamen über die Morde unterhalten? Würde Joni wirklich kurz nach Macs Rückkehr mit ihrem eigentlich schon kaltgestellten Geliebten im eigenen Ehebett vergnügen? Reicht dieses Fremdgehen wirklich als Motivation für einen Job als Auftragsmörder? Auch muss man den Autoren einen Hang zu übertriebener Symbolik bescheinigen: diese Wassermetaphern! Der Pool, der See, der Bademeisterjob, Otis Reddings "You Don't Miss Your Water" und so weiter. Bedrohliche Flashbacks und Visionen von unter Wasser schwebenden vietnamesischen Masken deuten auf ein tiefsitzendes Trauma hin, das die Staffel gewiss noch aus der Verdrängung holen wird.
Fehlt noch der Titel, dessen Erklärung zwar aus Collins' Buchvorlage stammt - die aber als Seriendialog sehr hergeholt klingt. Bei einem der ersten Treffen mit dem Broker in einem Steinbruch findet der Gangster, dass Mac "hart wie Stein" und "von innen ausgehöhlt" sei, wie der Steinbruch, weswegen er ihn fortan so nennt: Steinbruch. Quarry. Naja. Dennoch: Von solchen Kruditäten abgesehen stimmt sehr vieles in "Quarry": Style, Spiel, Stimmung, düstere Ahnung. Könnte ein guter Krimi werden.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von "Quarry".
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Cinemax
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