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TV-Kritik/Review: Reign
(09.12.2013)
Im fanatischen Bemühen, die ganze Welt als Glitzerkulissenuniversum voller wunderschöner Modelmenschen in seinen Serien nachzubauen, hat sich das Junge-Leute-Netzwerk The CW nach Vampiren in New Orleans (
Zwischen Frankreich und England herrscht gerade zwar einigermaßen Ruhe, doch Engländer und Schotten sind sich spinnefeind - ab der "kalten" Eröffnung von Folge drei wird das eine zentrale Rolle spielen. Englische Soldaten überschreiten da die schottische Grenze und zwingen die im französischen Exil lebende jugendliche Königin zum Handeln. "Reign" entpuppt sich dann tatsächlich als vages politisches Drama mit Interesse an strategischen Winkelzügen.
Zuvor jedoch versucht "Reign" mit einiger Mühe, wenn auch nicht ohne Charme, den Serienkosmos aufzuziehen und vergleichbare Geschichtsglitzerserien wie
Mary kommt also (in der von "Casper"-Regisseur Brad Silberling inszenierten Pilotfolge) am französischen Hofe an, der allerdings mehr nach einem mittelalterlichen Schloss in Irland aussieht - was nicht verwundert, fanden die Außenaufnahmen doch vorwiegend auf der grünen Insel statt. Diesen Drehort hat "Reign" übrigens mit
Am Hofe regiert König Henri II, in der Serie "Henry" genannt. Was gleich zur größten Bild-Ton-Schere der Originalversion führt: Die Franzosen, den Engländern heftig abgeneigt, versichern sich paradoxerweise in schneidigem Bühnen-Englisch ihrer Liebe zu Frankreich. Das ist einigermaßen grotesk, doch mit untertiteltem Französisch hätte man die Zielgruppe wohl ebenso verschreckt wie mit einer schottisch nuschelnden Mary. Gespielt wird "Henry-the-Second", der notorische Hugenottenschlächter, vom "Tudors"-erfahrenen Macho-Man Alan van Sprang (letzte Serie, kein Witz:
Wie interessant aber ist eine rein unsympathische Serienfigur? Zumal die Medici auch noch wundergläubig ist: Ihr zur Seite steht der legendäre Seher Nostradamus, der zur Spielzeit 1557 eigentlich bereits ein älterer Herr sein müsste, sich hier aber als viriler Vollbartträger im schicken Pelzmantel präsentiert. Rossif Sutherland (auch er aus "King") sieht in der Rolle aus wie einer jener Australier im Holzfäller-Look, die derzeit in Berlin überall überteuerte Coffeebars eröffnen. In jeder seiner Szenen hat er irgendwann eine Vision: Dann reißt er die Augen auf und "sieht", dass Mary dereinst für den Tod von Prinz Francis sorgen wird. Vor allem deshalb ist Mutter Medici der jungen Schottin gegenüber feindselig eingestellt. Eine Heirat mit Sohn Francis muss aus ihrer Sicht unbedingt vermieden werden. Dumm nur, dass sich Mary und Francis seit Kindestagen an versprochen sind, als französisch-schottisch-katholische Allianz. Drama und Intrige, hier entlang!
Francis führt uns allerdings gleich ins nächste Handlungsversatzstück: ins Liebesdreieck aus schöner Frau und schönen Brüdern, nicht zuletzt aus dem CW-Dauerbrenner
Und sonst noch? Es spukt! Eine geheimnisvolle junge Frau mit Leinensack auf dem Kopf geistert durch das Schloss, taucht meist unscharf irgendwo im Bildhintergrund auf, um dann sofort wieder zu verschwinden. Sie, die laut Auskunft des kleinsten Prinzenbruders Charles "Clarissa" heißt, scheint es gut mit Mary zu meinen und warnt sie vor weiteren Attentaten. Und: Irgendwo im Wald nahe des Schlosses droht zudem eine bislang nicht näher bekannte, aber blutig-tödliche Gefahr. Und: Die ganze Zeit - auch in die Dialoge hinein - dudelt auf dem Soundtrack textlastige Folk-Musik von den Lumineers, Bastille oder Band of Skulls. Womöglich dachten die Macher: Ein Banjo? Das klingt alt! Das nimmt uns die Zielgruppe als Renaissancemusik ab... Diese Art Anachronismus steht natürlich im Einklang mit dem bewährten CW-Credo, dass auch in Sachen Dekor und Kostüm eher auf trendige Schnitte denn auf historische Akkuratessen zu achten ist. Trotzdem fürchtet man stets, dass da gleich Mumford & Sons aus den Kulissen springen könnten.
Es gibt weitere Figuren (etwa die Königs-Mätresse), die in den ersten Episoden noch keine nennenswerten Rollen spielen. Besonders schade ist das für Marys Zofenquartett, vier Grazien auf Männersuche, die wohl das
McCarthy und SenGupta versuchen also, alles unter einen Hut zu bekommen: das Teen-Drama, die Romanze, das Intrigenspiel und den historischen Hintergrund, der hier trotz aller Verjüngungen und Verzerrungen ernster genommen zu werden scheint als man anfangs erwarten könnte. Dieser Versuch wirkt zwangsläufig oft krampfhaft. Doch trotz der klischeehaften Dialoge und unausgereiften Nebenfiguren kommt die Serie langsam in die Gänge. Das liegt an Adelaide Kane, die als starke Zentralfigur die losen Enden bündelt, aber auch an den erwähnten Mystery-Elementen, die von den Macherinnen bislang relativ geschickt in der Schwebe gehalten werden. Für Erstaunen sorgt zudem, dass ein paar der weiteren Folgen von Kult-Regisseuren inszeniert werden: Was Bruce MacDonald ("Hard Core Logo") oder Jeremiah Chechik ("Benny & Joon") anpacken, kann so schlecht eigentlich nicht werden.
Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten drei Folgen von "Reign".
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: The CW
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