Registrierung zur E-Mail-Benachrichtigung
Anmeldung zur kostenlosen Serienstart-Benachrichtigung für
- E-Mail-Adresse
- Für eine vollständige und rechtzeitige Benachrichtigung übernehmen wir keine Garantie.
- Fragen & Antworten
TV-Kritik/Review: "Die Pest": Sehenswerter spanischer History-Thriller für aktive Zuschauer
(26.07.2018)
Sevilla, am Ende des 16. Jahrhunderts. Die andalusische Metropole mit ihrem gut gesicherten Hafen am Guadalquivir, 80 Kilometer landeinwärts gelegen, ist das Zentrum des spanischen Handels mit den amerikanischen Kolonien. Vom "neuen Rom" ist bewundernd die Rede, und davon, dass diese Stadt mit der riesigen Altstadt, der Kathedrale und der maurischen Architektur ein Ort voller Möglichkeiten sei: "Man muss sie nur zu nutzen wissen." Das Mittelalter wirkt freilich noch nach - in der Inquisition, mit der die katholische Kirche das Land im Klammergriff hält, und in den Armenvierteln, in denen es wie eh und je unbarmherzig vor sich hin stinkt, müllt und kränkelt. Innerhalb der Stadtmauern jedoch, in den pompösen Adelspalästen, ist die Frühe Neuzeit, das "goldene" spanische Zeitalter, im Zenit angekommen. Dann bricht die Beulenpest aus: ein Schock für die Kaufleute Sevillas, die eine königlich angeordnete Abriegelung und dadurch den Zugang für die "goldbeladenen" Schiffe aus der Neuen Welt fürchten. Damit nicht genug: Plötzlich tauchen immer mehr grausam zugerichtete, mit Stigmata versehene Leichen auf.
Das ist das Setting, das die spanische Pay-TV-Plattform Movistar+ in ihrem aufwendig produzierten Sechsteiler
Protagonist und zentrale Ermittlergestalt von "Die Pest" ist Mateo Núñez (Pablo Molinero), ein Ex-Soldat, der den letzten Wunsch seines alten Freundes Germán erfüllen soll: Er soll Valerio finden, den unehelichen Sohn des verstorbenen Seidenhändlers, der irgendwo in den Armenvierteln der Stadt lebt. Anfangs lebt Mateo noch zurückgezogen im zentralspanischen Toledo, 400 Kilometer entfernt von Sevilla. Wir lernen ihn kennen, wie er eine Prostituierte erst mit Platon-Sentenzen beeindruckt - und dann mit einem ruppigen Coitus a tergo. Mateo ist ein gelehrter, aber wütender und melancholischer Mann. Immer wieder wird man ihn, scheinbar ohne vorliegenden Grund, weinen sehen. "Wie kommt ein guter Mann wie du ohne Gott aus?", wird er einmal gefragt. Erst später klären sich die Zusammenhänge: Seit er unliebsame Bücher druckte, gilt Mateo als Ketzer. Er musste aus Sevilla flüchten, offenbar verlor er seine Frau.
Was aber genau mit den Figuren los ist, wie sie zueinander im Verhältnis stehen, das lassen Rodriguez und Cobos die Zuschauer erst sukzessive herausfinden. Warum genau Mateo in Ungnade fiel, welche heimlichen Absichten die Personen verfolgen, all das muss man sich "erschauen", es wird meist übers Bild erzählt, was sich angenehm abhebt von der Unsitte vieler Historienverfilmungen, alles in Erklärdialogen haarklein vorzukauen, damit die Zuschauer nebenher stricken, twittern oder Socken falten können. Rodríguez' Selbstverständnis als bildmächtiger Kino-Regisseur zeigt sich hier deutlich: Das Figurentableau wird nicht erläuternd präsentiert, sondern inszeniert. Mateo schmuggelt sich also heimlich nach Sevilla hinein, mit seinen Augen tauchen wir ins Gewimmel der Stadt ein. Das gängige Inszenierungsklischee, belebte historische Altstädte immer als Labyrinth engstmöglicher Gassen zu präsentieren, in denen sich Kinder, Tiere, Händler, Diebe, Dirnen und Sklaven aneinander vorbeischieben, wird auch hier bemüht. Allerdings sind derart stereotype Ortsbegehungen selten in "Die Pest", zumal der Score aus Western-wüstenstaubigem, minimalistischem Gitarren-Blues wieder von den Klischees wegführt.
In Sevilla trifft Mateo die unterschiedlichsten Leute: Luis de Zúñiga (Paco León) etwa, seinen alten Freund, der es als Kaufmann zu Geld gebracht hat. An seinem Palast, in dem Mateo sich verstecken darf, werden die Freuden der Aufklärung und das Monopol der Stadt auf den Handel mit der Neuen Welt sichtbar: Es gibt Tomaten und Schokolade ("Trotz der Farbe ist sie köstlich!"), Glas in den Fenstern, Indigo-Farben, Seife aus Bologna und einen Hauspapagei namens "Montaigne". Zúñiga hat ein Geheimnis und erpresst einen Stadtrat mit Dingen, über die er selbst mal stürzen könnte: In der zweiten Episode wird Luis zur spannend doppelbödigen Figur. Oder Germáns Witwe Teresa (Patricia López Arnaiz): Sie lässt sich von ihrem Verwalter (Paco Tous) durch die Elendsviertel kutschieren, um in Freudenhäusern Modelle zu finden wie die junge Prostituierte Eugenia (Cecilia Gómez). Teresa ist Malerin, arbeitet aber nur unter dem Namen ihres Vaters: Gemälde von Frauen würde niemand kaufen. Oder der Arzt Monardes (Tomás del Estal), der wegen der als "Maurenkrankheit" verharmlosten Pest dringend zur Abriegelung der Stadt rät, was Kaufleute wie Zúñiga und Morata (Antonio Gil) aber vermeiden wollen. Oder Knabenzuhälter Arquímedes (Manuel Morón), der ein Oliver-Twist-Regiment über die Waisenjungen der Stadt ausübt, die als Laternenträger, Diebe und Stricher durch die Gassen marodieren. Über Umwege findet Mateo schließlich den "Bastard" Valerio (Sergio Castellanos), einen Freigeist, der den Pestkranken Nahrung in die verdrecken Hütten bringt und vor der Seuche immun zu sein scheint. Er haust in einer Steinhöhle, träumt vom Auswandern in die Neue Welt und möchte Leandra (Lupe del Junco) überreden, mit ihm mitzukommen. Die junge Wäscherin geht ihm gelegentlich masturbatorisch zur Hand, hat aber genug damit zu tun hat, über die Runden zu kommen.
Am Ende der Pilotfolge wird Valerio Mateo, den Mann mit den traurigen Augen, verraten und in den Knast bringen, erst danach kommt der Krimiplot aufs narrative Gleis: Generalinquisitor Celso de Guevera (Manolo Solo), auch er ein Mann der Bücher, bittet Mateo, ihm bei der Aufklärung der offenbar okkultistisch grundierten Mordserie zu helfen. Sagt er zu, winkt ihm die Freiheit, lehnt er ab, wird er hingerichtet.
Gewiss, die Ermittlungen folgen von der Tatort-Inspektion über die Obduktion der Leichen, von der Spurensuche in Gefängnissen und Katakomben bis hin zu Hinweisen auf eine Verschwörung höchster Kreise den gängigen Krimistandards, auch werden die Konventionen herkömmlicher History-Unterhaltung nie grundsätzlich gesprengt, dazu gibt's ein bisschen zu viel wogende Mieder und auch zu viel Designerdreck in den Darstellergesichtern. Dennoch gewinnt die konsequente Verortung zwischen verschwitzt-verschmoddertem Gammel (mit röchelnden Kranken, wimmelnden Ratten und surrenden Insekten) und dem goldglitzerndem Prunk in den Kaufmannspalästen dem Üblichen immer wieder neue Reize ab. Die ständigen Körper-Checks (Achseln und Hals) vermitteln die grassierende Infektionsparanoia. Und ja: Es gibt tatsächlich ein paar Szenen, die in puncto Sex-and-Crime-Schockeffekte selbst
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von "Die Pest".
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Movistar+
Sky zeigt die Deutschlandpremiere der sechteiligen Auftaktstaffel von "Die Pest" seit dem 19. Juli 2018 immer donnerstags ab 20.15 Uhr in Doppelfolgen. In Spanien wurde bereits eine zweite Staffel der Serie bestellt.
Über den Autor
Leserkommentare
Meistgelesen
- "9-1-1 Notruf L.A.": Nächste Staffel feiert bald Deutschlandpremiere
- "Grey's Anatomy" und "Seattle Firefighters" mit Terminen für neue Folgen im Streaming und Free-TV
- "Big Brother" im Low-Budget-Modus: Verschenktes Potenzial in der Streamingnische
- Bestätigt: "Criminal Minds" ermittelt auch in einer 18. Staffel weiter
- "Young Sheldon": Finale Folgen in Deutschland zuerst im Pay-TV
Neueste Meldungen
- "NDR Talk Show" fiel erneut aus: das ist der Grund
- Bericht: Steht dieses Raab-Event vor einem Comeback auf ProSieben?
- "Schlagerbooom Open Air": Diese Gäste begrüßt Florian Silbereisen am 8. Juni 2024 in der Stadionshow in Österreich
- Update "Bel-Air": Starttermin und Trailer für dritte Staffel verkündet
Specials
- "Big Brother" im Low-Budget-Modus: Verschenktes Potenzial in der Streamingnische
- "The Acolyte": Hochunterhaltsamer Remix beliebter "Star Wars"- Elemente
- "Schleudergang": Zwischen Retro-Nostalgie und moderner Tristesse
- Die 6 wichtigsten Serien im Juni
- "Percy Jackson": Halbgott mit Aufmerksamkeitsstörung
- "Neue Geschichten vom Pumuckl": Liebevolle Fortsetzung verneigt sich vor dem Original, ohne altbacken zu sein
- "Hafen ohne Gnade" zeigt geschickt Täuschungen und Enttäuschungen
Neue Trailer
- [UPDATE] "Bel-Air": Starttermin und Trailer für dritte Staffel verkündet
- [UPDATE] "Exploding Kittens": Erster Trailer und Starttermin zur Serienadaption des Spieleerfolgs
- "A Good Girl's Guide to Murder": Termin und Trailer für britische Serie mit "Wednesday"-Star Emma Myers
- "Tell Me Everything": Trailer für zweite Staffel der ZDFneo-Ko-Produktion
- [UPDATE] "Die wilden Neunziger!": Netflix mit ausführlichem Trailer für Staffel 2