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TV-Kritik/Review: "The Changeling": Liebling, wir haben ein Teufelsbaby
(07.09.2023)
Mutterschaft, Elternsein und die damit verbundenen Herausforderungen und Ängste sind im Spannungs- und Horrorbereich vor allem in den letzten Jahren sehr beliebt. Die von M. Night Shyamalan mitproduzierte Mystery-Serie
Wer die literarische Vorlage nicht gelesen hat, dürfte zu Beginn der Serienadaption wiederholt im Nebel stochern. Sicher sagen lässt sich jedoch Folgendes: Im Jahr 2010 trifft der Buchhändler Apollo Kagwa (LaKeith Stanfield) in einer New Yorker Bibliothek auf die dort arbeitende Emma Valentine (Clark Backo) und ist gleich hin und weg. Seine Annäherungsversuche, die man, wie er selbst zugibt, als eine Art Stalking bezeichnen könnte, weist Emma zunächst konsequent ab. Rückblenden zeigen, dass sich das Kennenlernen von Apollos Mutter und seinem Vater ganz ähnlich abgespielt hat. Immer wieder durchbrechen Flashbacks das Geschehen, da sie, so heißt es, für das Verständnis der Geschichte wichtig seien. Einschneidend war für den kleinen Kagwa der plötzliche Weggang seines Dads. Einfach so verschwand er aus seinem Leben, was ihm noch im Erwachsenenalter seltsame Albträume beschert.
Emmas ablehnende Haltung hängt vor allem mit einem geplanten Trip nach Südamerika zusammen, für den sie brennt und den sie tatsächlich antritt. Eine Reise, von der wir nur Fragmente zu sehen bekommen, die "The Changeling" allerdings mit einer märchenhaft-mystischen Aura auflädt. Emmas Begegnung mit einer alten Frau, die ihr ein rotes Armbändchen und drei Wünsche anbietet, dürfte für den Fortgang der Handlung noch eine größere Rolle spielen. Unheilverkündend wirkt die vor dem Hintergrund einer geheimnisvollen Lagune stattfindende Szene allemal.
Apollos hartnäckiges Werben hat letztlich Erfolg und führt zu einer Schwangerschaft, die am Ende der ersten Folge in einer weiteren, eigenartigen Volte ihren Höhepunkt erreicht. Inmitten einer plötzlich stehenbleibenden U-Bahn kommt das Kind des Paares in flackerndem Licht auf die Welt. Horror von der Stange hat Showrunnerin Kelly Marcel nicht im Angebot. So viel steht fest. Stattdessen entspinnt sich vor unseren Augen ein mit bedrohlichen Klängen, Zeitsprüngen und diffusem Geraune gespicktes Schauerstück, dessen betonte Verrätselung manche Zuschauer unter Garantie frustrieren wird.
Zumindest ein bisschen konkreter wird es mit der zweiten Episode, die ihren Schrecken nicht aus plumpen Schocks zieht, sondern aus Emmas sichtbarem psychischem Verfall. Nachdem wir Apollos Backstory bereits in Ausschnitten erkundet haben, ist nun seine Frau an der Reihe. Auch sie hat in ihrer Kindheit prägende Dinge erlebt, hat diese aber weggeschlossen. Erst ein Gespräch mit ihrer Schwester Kim (Amirah Vann) fördert eine erschütternde Wahrheit zu Tage.
Ein Großteil des zweiten Kapitels dreht sich darum, wie Apollo und besonders Emma in ihre neuen Rollen hineinwachsen - oder eben nicht. Mit präzisem Blick beschreibt die Serie die kleinen Nadelstiche, die Emma mehr und mehr in den Wahnsinn treiben, sie von ihrem Baby entfernen. Dass es mit dem Stillen nicht recht klappen will, erzeugt schon so ausreichend Stress. Und dann kommen auch noch Ratschläge und Kommentare anderer Leute hinzu. Gesellschaftliche Erwartungen, Vorstellungen, wie sich eine Mutter zu verhalten, zu fühlen habe, produzieren enormen Druck, der junge Frauen regelrecht zerreißen kann. Ganz ähnlich ergeht es auch Emma, die in ihrem Sohn irgendwann etwas Teuflisches zu sehen beginnt. Hat sie Recht oder einfach nur zu oft"The Changeling" nimmt in der zweiten Folge die Form eines intensiven häuslichen Dramas an, das durch seine abgedunkelten, nur schwach ausgeleuchteten Innenräume ein bedrückendes Gefühl erzeugt. Selbst Momente, die ausgelassen scheinen, erhalten einen unheimlichen Touch. Beispielsweise, als Apollo und seine Frau ausgehen, sich ein wenig Zeit füreinander nehmen. Obwohl der Abend den beiden spürbar guttut, klingen im Dialog zwischen den Zeilen finstere Töne an.
So sehr Emmas Entwicklung gefangen nimmt, so unklar bleiben weiterhin einige andere Aspekte: Was hat es mit dem Erzähler (in der Originalfassung von Romanautor Victor LaValle gesprochen) auf sich, der gelegentlich das Wort ergreift, dabei auch Märchenstilmittel benutzt? Welche Bedeutung haben seine kurzen Geschichten zum Einstieg jeder Folge? Sind sie mit den Erlebnissen des Paares verbunden? Oder sollen sie dem Ganzen einfach nur einen philosophischen Anstrich verleihen? Werden die übernatürlichen Andeutungen und Elemente noch sinnvoll eingebettet? Gibt es einen großen Zusammenhang? Oder bleiben am Ende bei so viel Geheimniskrämerei ein paar lose Teile übrig? Letzteres ist durchaus möglich. Nicht zum ersten Mal hätte eine Serie viele Fragen aufgeworfen und rätselhafte Dinge angeteasert, um dann unbefriedigende Antworten zu liefern. Der schauerlich-intensive Schlussspurt der zweiten Episode fängt das Interesse jedoch geschickt ein und macht neugierig auf das, was da noch kommen mag. Um es mit Emmas ominösen Worten zu sagen: You don't see, but you will!
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden von insgesamt acht Folgen der Serie "The Changeling".
Die ersten drei Episoden der Serie "The Changeling" sind ab dem 8. September bei Apple TV+ verfügbar. Alle anderen Folgen werden im wöchentlichen Rhythmus veröffentlicht.
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