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TV-Kritik/Review: "West of Liberty": Zerrissene Charaktere kämpfen in Berlin um ihre Existenz
(19.11.2019)
Ab dem 24. November zeigt das ZDF die von ihm koproduzierte Miniserie
Die Anfangssequenz, gedreht in Marrakesch, folgt einer jungen Amerikanerin, ihre Haare notdürftig in ein Tuch gehüllt, wie sie eilig durch einen Basar schreitet. Die Anfänge von
Abgefangen wird der Kontaktversuch jedoch von der CIA, deren Chef Clive Berner (Matthew Marsh) sich nichts sehnlicher wünscht als Lucien Gell (Lars Eidinger) dranzukriegen, den Kopf von "Hydraleaks". Insofern kommt ihm Faye als mögliche Verbindung zu Gell wie gerufen. Seinen Untergebenen Johnson (Cara Horgan) und Almond (Philipp Karner) traut Berner nicht allzu viel zu. Deswegen beauftragt er mit der "Beschaffung" Fayes niemanden aus seiner Abteilung, sondern Ludwig Licht (Wotan Wilke Möhring) - einen ehemaligen Stasi-CIA-Doppelagenten, den Berner noch aus der Zeit des Kalten Krieges kennt. Ein Agentenleben im Stil eines James Bond führt Licht allerdings nicht. Er ist inzwischen Wirt, lebt in einer schäbigen Wohnung und schuldet den falschen Leuten Geld. Viel Geld anscheinend, weshalb sie - Angehörige der russischen Mafia - ihm ständig auf den Fersen sind. Da kommt ihm ein unverhoffter Auftrag der CIA gerade recht. Licht zögert nicht lange und nimmt sich Fayes an, um sie - noch ist nicht klar, vor wem genau - zu beschützen.
Berner - ein Dinosaurier der alten Schule, mit sexistischen und rassistischen Tendenzen - ist an Fayes Informationen gelegen, um seinen Job zu retten - denn seine Chefin Fran Bowden (Doña Croll) möchte ihn gerne ausrangieren und nach Hause in die USA schicken. Deshalb bekommt Berner spitze Ohren, als er von Faye erfährt, dass kein Geringerer als der US-Botschafter in die Angelegenheit verwickelt ist. Das Gespann Licht/Faye entpuppt sich jedoch als denkbar ungünstig, trotz kurz auflodernder Unterhosenerotik. Denn Lichts Verfolger (und seine Kneipe) machen es ihm recht schwer, sich auf den Schutz von Faye zu konzentrieren. Und so kommt es schnell zum Blutvergießen, als Licht erst mehr oder weniger versehentlich einen seiner Geldeintreiber aufspießt, und anschließend Faye ihre beste Freundin in einer Blutlache auffindet.
Von alledem unbehelligt hockt inzwischen Whistleblower Gell in der syrischen Botschaft, um vor einer Strafverfolgung sicher zu sein, namentlich durch die CIA und Berner; ein undurchsichtiger Sonderling mit platinblondem Haar und einer Vorliebe für blaue Sonnenbrillen. Jedoch erklärt er sich bereit, der engagierten Fernsehjournalistin Montand (Sonja Richter) ein aufgezeichnetes Interview zu geben. Dieses läuft jedoch gehörig aus dem Ruder, als die Journalistin den selbsternannten Aufdecker nach den Hintergründen der Finanzierung seiner Enthüllungen ausfragt: warum wurden pikante Details zu einer schlecht funktionierenden, aber nichtsdestoweniger vom US-Kongress abgesegneten Drohnentechnologie nicht auf seiner Plattform veröffentlicht, obwohl sie ihm bereits vor Monaten zugegangen waren? Ließ sich Gell für sein Schweigen bezahlen?
Im ersten der sechs Teile schreitet die Handlung rasant voran, das Gefälle zum zweiten Teil ist allerdings recht hoch - nahezu gemütlich wird auf einmal die Erzählgeschwindigkeit, hier hätte eine Verdichtung der Handlung möglicherweise gut getan. Auffällig ist auch, dass Ludwig Licht, immerhin Hauptcharakter in inzwischen vier Romanen der Reihe, gar keine allzu große Rolle spielt. Namentlich Berner, aber auch Faye haben wesentlich mehr Sendezeit und bieten dem Zuschauer somit Potential, sich in ihre Situation hineinzuversetzen und sich mit ihnen zu identifizieren. Leider weitgehend unausgeschöpftes Potential. Zwar wird Berners perspektivlose Situation konsequent hervorgehoben: seine Ehefrau Martha (Anastasia Hille) verbannt ihn aus dem gemeinsamen Schlafzimmer aufs Sofa; er isst aus Frust einen Burger nach dem anderen; und von seiner Chefin muss er sich auf den Kopf zusagen lassen, dass sie gedenkt, ihn seines Postens "im kommenden Frühling" zu entheben. Aber sein irritierender und leidig sympathischer Charakter führen nicht dazu, dass man für die Ausweglosigkeit seiner Situation viel Empathie empfindet. Mit Faye sieht es leider ähnlich aus. Es wird zwar angedeutet, dass sie sich ursprünglich aus ideologischen Gründen, "das Richtige zu tun", "Hydraleaks" angeschlossen hat; jedoch sind all ihre Handlungen egoistisch motiviert, namentlich abwechselnde Erpressungsversuche in diverse Richtungen. Man wird das Gefühl nicht los, dass sie ihre Situation, die noch weitaus auswegloser scheint als die von Berner, selbst verschuldet hat, und nun krampfhaft durch das Aushandeln eines "Deals" versucht, Oberwasser zu gewinnen.
Noch weitaus unzugänglicher ist allerdings Gell. Vom Drehbuch als eitler Egozentriker gezeichnet, lassen seine Mimik und seine Intonation kaum je darauf schließen, was seine Absichten sind oder sein könnten. Dies wird besonders in der Szene deutlich, in der er von Montand interviewt und dabei in die Ecke gedrängt wird. Montand mit ihrer Hartnäckigkeit ist hingegen ein wahrer Lichtblick der Geschichte, sie wirkt authentisch und engagiert, und man darf inständig hoffen, dass sie im weiteren Handlungsverlauf eine gewichtige Rolle einnehmen wird.
Die Machart von "West of Liberty" erinnert in vieler Hinsicht an
Wie bei vielen anderen internationalen Produktionen scheint Mehrsprachigkeit eine Herausforderung bei der Umsetzung darzustellen. Die Handlung spielt größtenteils in Deutschland - es gibt ein paar deutsche Charaktere, mehrere amerikanische, dazu noch syrische und französische. Jedoch sprechen die Amerikaner - auch untereinander - Deutsch miteinander. Wenn Deutsche mit Amerikanern sprechen, ist dies ebenfalls Deutsch. Der Syrer spricht mit seinen Landsleuten jedoch Arabisch - wenn er mit anderen spricht, tut er dies mit arabischem Akzent. Montand ist Französin, spricht jedoch ohne jeden Akzent. Das Prinzip der Synchronisation funktioniert gut bei ausländischen Produktionen, bei denen die fremde Sprache konsequent durch Deutsch ersetzt wird - eine Fiktion, die man problemlos akzeptieren kann. Schwierig wird es jedoch, wenn die Charaktere mehrere Sprachen sprechen, und eine davon Deutsch ist. Hier wäre man vielleicht gut beraten gewesen, die Amerikaner einfach untereinander Englisch sprechen zu lassen - das hätte den Eindruck verstärken können, dass sie in ihrer eigenen CIA-Bubble leben, obwohl sie sich örtlich gesehen in Deutschland befinden. Laut ZDF wird die zweiteilige Filmfassung, die für die lineare Ausstrahlung vorgesehen ist, synchronisiert ausgestrahlt - in der Mediathek hingegen wird neben der Synchronfassung auch die Originalfassung in sechs Teilen mit Untertiteln zu sehen sein. Wer nichts gegen Untertitel hat, sollte lieber letztere ansehen.
Wenn man über die aufgezeigten Schwächen von "West of Liberty" hinwegsieht, werden Zuschauer mit einer Vorliebe für Spionagethriller, gespickt mit einer Prise Seifenoper, auf ihre Kosten kommen. Der Gesamteindruck in Bild und Ton ist hochwertig, und Fans von Wotan Wilke Möhring haben ebenfalls einen Grund zum Einschalten. Kein Volltreffer, aber auch kein Schuss daneben.
Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten zwei Episoden der sechsteiligen Schnittfassung von "West of Liberty".
Über den Autor
Leserkommentare
GerneGucker schrieb via tvforen.de am 24.11.2019, 13.35 Uhr:
Es ist sehr begrüßenswert, daß als Nacht-Wiederholung die Komplettversion gezeigt wird.
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